Auf der Suche nach Creme

Der Inter-Hochzucht-Standard (IHS) listet seit1981, dem Jahr seiner Entstehung, die bekannten Grundfarben auf. Diese Liste wurde in jüngerer Zeit immer wieder ergänzt. Bereits 1981 aufgenommen wurde die doppeltrezessive Grundfarbe Creme, die man aus der Kreuzung der einfachrezessiven Grundfarben Blond und Gold erhält. Obwohl bereits seit langem bekannt, blieb Creme selbst für arrivierte Züchter ein Rätsel. Selbst in den Guppyforen – in denen man sonst (fast) alles findet – sucht man nach gesicherten Auskünften über „Creme“ vergeblich. Der folgende Beitrag soll sich in zweierlei Hinsicht dieser „alten“ Grundfarbe widmen: zum einen durch eine Recherche in der Literatur, zum anderen durch den Bericht eigener Zuchterfahrungen.

Creme in der Literatur

Bevor wir uns einige Ausführungen in der Guppyliteratur ansehen, soll nochmals auf die Beschreibung von Creme im IHS eingegangen werden. Der IHS 1981 bringt die folgende – etwas eigenartig anmutende – Definition: „Creme(= doppeltrezessiv aus Blond und Gold), wenn mit oder ohne schwarzer Pigmentierung, stets schwarze Augen.“ Im Wesentlichen gibt der derzeit gültige IHS 2004 die Definition von 1981 wieder: „Creme: (doppeltrezessiv aus Blond und Gold), mit/ohne schwarze Pigmentierung, stets schwarze Augen.“ Man war und ist also der Meinung, dass sich die Grundfarbe Creme in zwei Varianten äußert. Die Grundfarbe Creme spielt in den meisten Guppybüchern keine Rolle bzw. die Autoren folgen der Darstellung im IHS. Genaueres liest man aber schon in der „Information der Deutschen Guppy Föderation“ aus dem Jahr 1975 (!). Zwar wird die Farbe Creme nicht beschrieben, doch wird auf die Unterschiede bei den Melanophoren, den Trägern der dunklen Farbstoffe, bei Blond, Gold und Creme eingegangen: Gold weist deutlich weniger Melanophoren als Blond auf, allerdings sind sie bei Gold größer als bei Blond. Wie werden nun die Melanophoren von Creme beschrieben? Creme verfügt – wie Blond – über kleine Melanophoren, dies aber in sehr reduzierter Anzahl. Man könnte daraus schließen, dass die Grundfarbe Creme jedenfalls hell sein muss und eigentlich keine dunklen Schuppenränder (wie Gold) aufweisen dürfte. In meiner Guppyliteratur-Sammlung befindet sich als Manuskript die deutsche Übersetzung eines Werks, das der dänische Autor O. Dahl Mikkelsen 1976 für Guppyzüchter in Skandinavien geschrieben hat. Mikkelsen beschreibt Creme wie folgt: „Hat schwächere Pigmentierung als der Blondguppy. Die Körperfärbung ist warmgoldfarbig wie beim Goldguppy, doch fehlen die dunklen Schuppenränder.“ Fast ident ist die Charakterisierung von Creme im Guppywerk von Tim-Uwe Jandeck aus dem Jahr 2002: „Die Körperfärbung gleicht der warmgoldenen Farbe des Gold-Guppys, jedoch tritt das Netzmuster durch Fehlen der dunklen Schuppenränder nicht auf.“

Eigene Erfahrungen mit Creme

Seit dem Jahr 2000 beschäftige ich mich mit der Zucht von Obenschwertern snakeskin in der Grundfarbe Gold. Ich konnte zwar auf den durchgezüchteten Obenschwert-Stamm von Max Kahrer in den Grundfarben Wildgrau und Blond aufbauen, doch musste ich mir Gold aus einem japanischen Triangelstamm holen. Da ich Blond aus dem Stamm nicht „herausmendeln“ wollte, war das Auftreten von Creme eine logische Folge. 2002 war ich mir bereits sicher, die alte neue Grundfarbe erkannt zu haben: Creme gleicht Blond, hat wie Blond keine Schuppenränder, wirkt aber im Vergleich zu Blond durchscheinend. Von oben betrachtet sieht die Farbe der Creme-Guppys im Vergleich zu Blond viel klarer aus. Der Name „Creme“ wirkt für diesen hellgelb-goldenen Fisch durchaus zutreffend. Mich erinnern die Creme-Guppys in ihrer Klarheit und Leuchtkraft an die Grundfarbe Weiß, deren milchigweiße Farbe ebenfalls sehr rein und durchscheinend wirkt. Eine Bestätigung meiner Beobachtungen brachte auch ein kürzlich durchgeführter Zuchtversuch: Ein goldenes Männchen (nicht spalterbig auf Blond) ergab mit einem Creme-Weibchen lauter Goldguppys. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die theoretischen Überlegungen, die Ausführungen über Creme in der Literatur und meine eigenen Beobachtungen durchaus übereinstimmen. Creme ähnelt Blond, ist aber mit einiger Übung von Blond leicht zu unterscheiden. Die „leichte, dunkle Schuppenumrandung“ am Vorderkörper, die Michael Kempkes bei Creme beschreibt, konnte ich bei meinen Tieren allerdings nicht beobachten. Die Creme-Männchen weisen genauso wie Blonde und Goldene die Snakeskin-Musterung auf. Mit anderen Deckfarben auf Creme habe ich bisher noch keine Erfahrungen.

Text: Dr. Walter Schuster, Fotos: Markus Hackl

Literatur: Jochen Brinkmann, Die Unterscheidung der Merkmale Gold, Blond und Cream. In: Information der Deutschen Guppy Föderation, Jg. 20, Nr. 3 (September 1975), S. 16-19.

Tim-Uwe Jandeck, Guppyzucht. Münster 2002.

Michael Kempkes, Der Guppy. Pflege und Hochzucht. Stuttgart 1996